Warum KVP, TQM und Scrum ohne Vitamin K scheitern – Teil 1 der Beitragsserie


Nein, hier geht es nicht um Nahrungsergänzungsmittel. Vitamin K ist hier der Zaubertrank für alle, die KVP erfolgreich einführen, die TQM durchsetzen oder ihre Projektorganisation auf Scrum umstellen wollen. Denn all diese Maßnahmen klingen so schön. Und deren Umsetzung sieht ja auch ganz einfach aus. Eigentlich müssen sich ja nur die Mitarbeiter regelmäßig zusammensetzen, und über Kundenorientierung reden, Prozesse aufstellen, Engpässe ansehen und dann Lösungen finden. Aber das sieht eben nur so aus.

Nach meinen Erfahrungen scheitert das aber immer wieder, am Vitamin K. Sie ahnen es vielleicht, ich spreche vom kleinen Teufel Kommunikation. Auch Kommunikation ist je eigentlich ganz einfach. Eigentlich! Tatsächlich passiert in den ersten KVP-Meetings oder Weekly-Scrum-Meetings folgendes: Unterschiedliche Meinungen prallen aufeinander. Einer weiß, dass er ja Recht hat und bezichtigt den Anderen deshalb der Lüge. Verschiedene Interessen prallen aufeinander. Einer will Pfründe nicht hergeben, der andere hält Informationen zurück, der dritte hat Angst – entweder sich einzumischen, seine Meinung zu sagen oder vielleicht sogar Angst davor Fehler zuzugeben. Ein Feedback tut weh und der Empfänger reagiert empfindlich, emotional, es wird laut und es Kracht so richtig. Und schließlich gibt es noch politische Rangeleien. Es geht um Macht, Tabu-Themen und tote Pferde, von denen man nicht absteigen will.

Machen Sie aus der Alltagskommunikation Ihrer Mitarbeiter das wirksame Vitamin K. Als Vitamin K wird aus schwacher Kommunikation der Zaubertrank, der kreative Ideen fließen lässt, der Klebstoff für Ihr Team, der Problemlöser und der Turbo für Ihre Teamleistung. Das heißt aber letztendlich: Kommunikation will und muss gelernt sein. Sie und Ihre Mitarbeiter müssen zum Profi an diesem wichtigen Werkzeug werden. Am besten, bevor man sein KVP-Projekt gegen die Wand fährt.

Grundvoraussetzung für exzellente Ergebnisse in Teams, ob in Scrum-Teams, in KVP-Runden oder TQM-Meetings, ist immer, dass die Information frei fließt. Niemand hält Infos zurück. Auch Ideen müssen fließen. Keiner darf Angst haben müssen, für seine Ideen ausgelacht oder gar angefeindet zu werden. Sie brauchen psychologische Sicherheit. Andererseits ist Kritik nicht nur „zugelassen“. Sie ist hochgradig erwünscht. Denn Kritik ist die Basis, um Ihre Qualität auf das gewünschte Niveau zu heben. Doch eine Vielzahl von Störungen verhindert konstruktive Kommunikation in Teams.

Warum Kommunikation so oft nicht funktioniert

  1. Schlechte Beziehungen.

Die positive Beziehungsebene ist die absolute Basis, damit Kommunikation funktioniert. Oft denken die coolen Business-Menschen und die rationalen Ingenieure, sie seien Profi genug, dass eine schlechte Beziehung zu einem Kollegen keine Bedeutung hat. Aber das Gegenteil ist der Fall. Denn eine unbewusste Ebene arbeitet bei uns allen immer mit. Ist die Beziehung schlecht, hört man beim Gegenüber eher den Vorwurf statt die Information. Man wittert eher Gefahr und Angriff, als dass man die Hilfe, die im Feedback steckt, wahrnehmen könnte. Nochmal ganz deutlich: Ohne positive Beziehung keine brauchbare Kommunikation.

Die Gründe für schlechte Beziehungen in Teams sind ebenfalls vielfältig. Und genauso vielfältig sind die Gegenmaßnahmen. An erster Stelle haben wir den natürlichsten Auslöser für schlechte Beziehungen. Das „Anders sein“. Fakt ist: jeder Mensch ist unterschiedlich! Doch wir Menschen mögen eher, was uns vertraut ist. Gleich und gleich gesellt sich gern. Da fühlen wir uns sicher. Was uns fremd ist, lehnen wir ab. Wir verstehen nicht, warum der andere so denkt, wie er gerade denkt. Ein Kollege im Weekly-Scrum meint, wir hätten zu lange an einem Detail herumgefrickelt, er war schon ganz genervt. Doch der Frickler – ein 120-prozentiger Perfektionist – fand gerade das besonders wichtig. Schließlich erwartet der Kunde zurecht Top-Qualität und es war einfach noch nicht gut genug. Wir sind immer wieder überrascht, warum der Andere so handelt, wie er gerade handelt. Der Mensch geht ja immer von sich selber als „normal“ aus, und man würde ja selbst garantiert ganz anders reagieren. Und alles andere ist einfach nur blöd, der „Blödmann“ ist zu blöd das zu erkennen. Wir haben andere Werte, und uns sind andere Kriterien wichtig. Also: die Chemie stimmt oft einfach nicht. Und weil manche Kollegen „anders“ sind, mögen wir sie nicht. Schon gibt es das Problem in diesem Team.

Gegenmaßnahme: stellen Sie in Ihren Teams heraus, dass das „Anders-sein“ gerade die Quelle der Stärke Ihres Teams ist. Sie brauchen und wollen diese Unterschiedlichkeit. Kein Fußballteam braucht nur „Stürmer“. Arbeiten Sie im Team die unterschiedlichen Stärken jedes einzelnen heraus. Manche Teammitglieder geben sich Spitznamen, so ähnlich wie Indianamen oder Archetypen, die für deren Stärke stehen und diese nachhaltig sichtbar machen. Lassen Sie die Teammitglieder sich auch über ihre Schwäche austauschen. Wo Schwächen allen bekannt sind, braucht niemand etwas verbergen. Nicht umsonst wird zu jedem Projekt empfohlen, das Projektteam mit einem Teamentwicklungs-Workshop starten zu lassen.

Die zweite Ursache schlechter Beziehungen sind Konkurrenzkampf, abweichende Ziele und Interessen sowie entsprechende Rivalitäten. Das ist oft ein hausgemachtes Problem, weil manche Manager glauben, Wettkampf würde für bessere Ergebnisse sorgen. Aber der Preis dafür ist hoch. Über Fehler suchen, Schuldzuweisungen, Streitigkeiten bis hin zu „Steine in den Weg legen“ und Sabotage. Auf jeden Fall wird man den Konkurrenten keine Tipps geben oder eigene Erfolgsrezepte verraten, eher noch Informationen zurückhalten. „Die sollen schön selber draufkommen, wir geben doch unseren Vorsprung nicht her“. So ist ein Team weder schnell, noch kreativ, noch kundeorientiert. Es hat „Sand im Getriebe“.

Gegenmittel Nummer 1 ist Klarheit über das gemeinsame Ziel, die Einigkeit darüber, dass alle in einem Boot sitzen, alle im gleichen Team spielen. Machen Sie deutlich, dass keiner persönliche Punkte sammeln kann, wenn das Team insgesamt verliert. Und wer sich selbst über das Teamergebnis stellt, muss Konsequenzen zu spüren bekommen. Wenn Sie einmal jemanden belobigen oder gar befördern, der sich auf Kosten des Teamergebnisses hervorgetan hat, machen Sie Rivalität salonfähig und zerstören jeden Teamgeist.

Aber Achtung: In der Praxis wird leider viel zu selten über das Ziel gesprochen. Es wird immer wieder angenommen, das Ziel sei doch allen, zumindest implizit, klar. Machen Sie sich doch einmal den Spaß und fragen Sie 3 Mitarbeiter aus Ihrem Team, nach Ihrem gemeinsamen Ziel: Ich mache eine Wette, Sie bekommen 5 unterschiedliche Antworten. Die notwendige Klarheit über das gemeinsame Ziel erhalten Sie nur, wenn Sie oft darüber sprechen. Sehr, sehr oft! Wollen Sie zusätzlich zur „Klarheit“ auch noch etwas fürs Commitment tun, dann sagen Sie das Ziel nicht einfach nur an, diskutieren Sie mit dem Team darüber, ob der Kurs richtig gesetzt ist, und der Fortschritt richtig gemessen wird. Die gemeinsame Diskussion verbessert das Commitment.

Schließlich kommt Rivalität aber auch ganz von allein. Nämlich wenn Bereichs-Ziele gegenläufig sind. Natürlich, der Vertriebsleiter will so viele Aufträge wie möglich reinholen. Schließlich muss er sein Vertriebsziel schaffen. Doch das Auftragszentrum will nur solche Aufträge, die es auch handeln kann. Möglichst ähnliche Auftrage, möglichst selten Maschinen umrüsten, geringe Fehlerquote, schnellere Lieferung. Und schon wird mit harten Bandagen gekämpft.

Dies lässt sich am besten lösen, wenn Sie einen Moderator einsetzen. Der ist neutral und kann mitten in der KVP-Diskussion die Fragestellung an den Interessenskonflikt anpassen. Mit dem klug eingesetzten Wörtchen „und“. „Wie können wir die Vertriebsziele erreichen und gleichzeitig im Auftragszentrum eine gleichmäßigere Fertigung ermöglichen?“ Diese geschickte Fragestellung lenkt die Lösungsversuche von vorn herein in eine konstruktivere Richtung. Nutzen Sie in kritischen, abteilungsübergreifenden Gesprächsrunden Moderatoren. Wenn Sie eigene Mitarbeiter als Moderatoren einsetzen, lassen Sie diese vorher im Moderatoren-Handwerk ausbilden. Das wird sich ganz sicher für Sie auszahlen.

Manchmal ist die Beziehung zwischen den Teammitgliedern grundsätzlich gut, und trotzdem wird es in Diskussionen immer wieder laut. Das liegt daran, dass wir Menschen Emotionen haben. Ein Sprichwort sagt, „wenn die Emotionen anspringen, geht der Verstand in die Kneipe ein Bier trinken“. Der Grund ist im Bauplan unseres Gehirns zu finden. Vereinfacht gesagt, hat unser Verstand 2 vorgeschaltete Filter. Der erste prüft, ob Gefahr in Verzug ist. Wittert das Gehirn einen Angriff, schüttet es Adrenalin aus und fährt den Gegenangriff hoch. Genau das passiert bei uns Menschen aber eher zu oft als zu selten (ein Erbe aus der Steinzeit). Der zweite Filter beschäftigt sich mit dem sozialen Gefüge. Ein Ausschluss aus der Gruppe bedeutet (zumindest in der Steinzeit) den sicheren Tod. Folglich reagieren Menschen mit Kampf oder Flucht, bei jedem Anzeichen eines Angriffs, eines Vorwurfs, bei Ablehnung (Kritik), mangelndem Wohlwollen, und Angriffen auf das Selbstwertgefühl. Dazu kommen zahlreiche weitere komplexe Gefühle wie z.B. Angst, Frust, Ohnmacht, Eifersucht, Schuldbewusstsein, usw. die die Kommunikation subtil beeinflussen.

Gegenmaßnahme ist hier ein besonders auf die Teamkommunikation abgestelltes Kommunikationstraining, dass darauf abzielt, die eigenen Emotionen unter Kontrolle zu halten, die Emotionen der Anderen besser zu verstehen, sich auszudrücken ohne andere anzugreifen und schwierige Themen so anzusprechen, dass die Beziehung zur Gegenseite positiv bleibt. Ebenfalls eine Investition von der Ihre Qualitätsoffensive profitiert.

Übrigens: Es gibt eine Studie die belegt, dass man anhand der Art der Kommunikation mit 95% Wahrscheinlichkeit vorhersagen kann, ob eine Ehe in der Zukunft geschieden wird, oder ob sie hält. Das Geheimnis dient auch der Teamkommunikation: Gute Teammitglieder (erfolgreiche Ehepaare) sprechen Probleme sofort an. Und zwar so, dass der Gesprächspartner sich nicht angegriffen fühlt. Nur so werden Team-Probleme schnell gelöst, bevor sie dauerhaften Schaden anrichten.

Alle unter dem Abschnitt „Beziehung“ angesprochenen Gefahren betreffen noch einen anderen Aspekt. Teammitglieder müssen sich sicher fühlen, dass sie wirklich alles sagen können, ohne angefeindet zu werden. Sie müssen Kritik äußern können (auch das will gelernt sein), ohne dass sie einen Gegenstoß befürchten müssen, sie müssen Ideen äußern können, ohne dass sie dafür ausgelacht werden, sie müssen Probleme und Lösungen ansprechen können, ohne, dass es in einen Kampf ausartet. Das Thema heißt „Vertrauen“. Wenn es dem Team am Vertrauen fehlt, finden all diese wichtigen Beiträge gar nicht erst statt. So bleiben Qualität und Leistung des Teams weit hinter dem Möglichen zurück.

Maßnahmen: Arbeiten Sie gezielt am Vertrauen. Teams brauchen viel Gelegenheit, sich auch privat miteinander zu beschäftigen. Schaffen Sie proaktiv Gelegenheiten dafür. Das kann z.B. ein Teamworkshop leisten. Je besser man seinen Teamkollegen kennt, desto mehr, weiß man, was er verträgt und wie er regieren wird. Tauschen Sie sich gezielt über Probleme (auch private), Misserfolge und Schwächen aus. Wenn alles, was einem peinlich sein könnte, bereits offen auf dem Tisch liegt, und jeder die Erfahrung gemacht hat, dass er seinem Team wirklich alles sicher anvertraue kann, läuft die gemeinsame Arbeit reibungsloser. Wie Steven Covey jr. Geschrieben hat: Vertrauen = Geschwindigkeit.

Mein letzter Punkt zum Thema bessere Kommunikation durch gute Beziehungen betrifft das „Recht haben“ müssen. Oft wollen Teammitglieder ihre Kollegen von ihrer eigenen Lösung, als die Beste, überzeugen. Sie wollen unbedingt Recht haben. Und das natürlich nur in bester Absicht. Das Dumme daran ist: Immer wenn Einer den Anderen überzeugt, also „Recht hat“, setzt er den anderen damit ins „Unrecht“. Es gibt einen Gewinner und einen Verlierer. Und schon wieder einen guten Grund für Kampf statt Kooperation. Niemand will gern der „Verlierer“ sein.

Ächten Sie in Ihren Teams das „Recht haben wollen“. Ziel muss es sein, alle Meinungen auf den Tisch zu bekommen, um dann jede Idee zu hinterfragen, und zu diskutieren, um sie voll und ganz zu verstehen. Dabei dient die Diskussion nicht dazu, falsche Meinungen zu entlarven, sondern eher dazu, dass alle einen differenzierteren Blick auf die Sache bekommen und die Gemeinschaft die bestmögliche Entscheidung trifft. Gerade in KVP-Meetings und Brainstormings ist das die elementare Quelle für bessere Lösungen. Rufen Sie folgendes Motto aus: „Wenn zwei in einem Raum der gleichen Meinung sind, ist einer überflüssig!“ Wenn ein intelligenter Kollege eine andere Meinung hat als ich, dann will ich wissen „Warum?“. Und viele verrückte Ideen sind alle mal besser als nur eine Idee, der alle zustimmen.

Fortsetzung folgt im Teil 2 der Beitragsserie – Warum KVP, TQM und Scrum ohne Vitamin K scheitern.

Seminare & Ausbildungen im Kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP)

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